Besteht ab dem 16.03.2022 für bestimmt Berufsgruppen eine Impfpflicht?
I. Besteht ab dem 16.03.2022 für bestimmt Berufsgruppen eine Impfpflicht?
Nein. Eine unmittelbare Impfpflicht besteht nach dem Gesetz nicht, allenfalls eine mittelbare Pflicht. § 20 a Infektionsschutzgesetz regelt, dass Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen (z.B. im Krankenhaus oder in Pflegeeinrichtungen) tätig sind, bis zum Ablauf des 15.03.2022 einen gültigen Immunitätsnachweis erbringen müssen. Eine Ausnahme gibt es nur für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
Diese Vorschrift gilt somit nicht nur für die bei der Einrichtung oder dem Unternehmen direkt angestellten Arbeitnehmer:innen, sondern z. B. auch für Physio- oder Ergotherapeuten, die zu Einzelterminen die Einrichtungen aufsuchen. Erfasst sind auch sonstige dort tätige Dienstleistungserbringer jedweder Art oder ehrenamtlich Tätige (z.B. Handwerker, Reinigungsdienste, Freiwilligendienstleistende, Ehrenamtliche und Seelsorger etc.), es sei denn, dass diese Personen sich nur vorübergehend („jeweils wenige Minuten“) in der Einrichtung aufhalten (BT-Drs. 10/188,36 - wie z. B. etwa Post- und Paketboten).
Der Begriff des „Tätig seins“ wird dabei sehr weit verstanden. Entscheidend ist nicht die Art der Beschäftigung oder die arbeitsrechtliche Beziehung, sondern vielmehr das erhöhte Ansteckungsrisiko für die zu schützenden Personen (vgl. BT-Drs. 20/188, 36).
Hieraus kann auch geschlussfolgert werden, dass das Personal der Krankenhausverwaltung ebenfalls von der Regelung des § 20a IfSG erfasst sein dürfte. Ob Ausnahmen dann bestehen, wenn das Personal mit den zu betreuenden Personen keinerlei Berührungspunkte hat, z.B. bei separaten Eingängen, getrennten Kantinen, separaten Sanitäreinrichtungen etc., mag bezweifelt werden, da derartige Ausnahmen nach dem Gesetzeswortlaut nicht geregelt sind.
II. Durchsetzung und Konsequenzen
Wird von der Person der erforderliche Impf- oder Genesenennachweis nicht bis zum Ablauf des 15.03.2022 vorgelegt, muss die Leitung des Unternehmens bzw. der Einrichtung am 16.03.2022 darüber das Gesundheitsamt informieren und diesem personenbezogene Daten übermitteln. Bei Zuwiderhandeln droht der Einrichtung / dem Unternehmen ein Bußgeld. Das Gesundheitsamt kann dann die Person auffordern, den Nachweis innerhalb einer bestimmten Frist vorzulegen. Legt die Person auch dem Gesundheitsamt den Nachweis nicht vor, kann das Gesundheitsamt ein Verbot aussprechen, die Einrichtungen bzw. das Unternehmen zu betreten oder dort tätig zu werden. Bei Zuwiderhandeln droht der betreffenden Person ein Bußgeld.
Der Person drohen dann folgende Konsequenzen:
1. Abmahnung / Kündigung
Eine arbeitsrechtliche Konsequenz kann die Abmahnung und nach deren Erfolglosigkeit die Kündigung des Arbeitsvertrages sein. Die arbeitsgeberseitige Kündigung ist auch hier ultima ratio. Zu ihr dürfen Unternehmen nur greifen, wenn sich die Vertragsstörung nicht mit milderen Mitteln, z.B. mittels einer Versetzung oder Änderungskündigung, beseitigen lässt. Letztlich ist immer im Einzelfall eine Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien erforderlich.
Solange dies nicht erfolgt ist, kann m.E. das Unternehmen bzw. die Einrichtung in der Regel auch keine wirksame Kündigung aussprechen.
2. Vergütung
Bisher noch völlig unklar ist, ob die Arbeitnehmer:innen, die den erforderlichen Nachweis nicht bringen, einen Anspruch auf Vergütung haben. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu: „Im Ergebnis entfällt für diesen Personenkreis die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 326 Abs. 1 BGB, § 326 Abs. 2, §§ 615 und 616 BGB sind nicht einschlägig). Weitere arbeitsrechtliche Konsequenzen können im Einzelfall in Betracht kommen“ (BT-Drucks. 20/188, S. 41f).
Der Arbeitgeber kommt mithin nicht in Annahmeverzug, wenn er die Arbeit ohne Nachweis der Arbeitnehmer:innen verweigert (§§ 616, 615 BGB). Denn eine Arbeitsleistung, die nicht rechtzeitig erbracht wird, kann grundsätzlich nicht nachgeholt werden. Ob Ausnahmen greifen, ist bisher noch unklar. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn ein Unternehmen über Arbeitsplätze verfügt, für die kein Impf- oder Genesenennachweis erforderlich ist. Solche Arbeitsplätze können in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens bestehen, auf den sich die Nachweispflicht nicht erstreckt. Auch eine Versetzung ins Homeoffice ließe die Nachweispflicht entfallen. Nur wenn solche Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen, können sich Unternehmen ab dem 16.03.2022 relativ sicher sein, nach der Anordnung des Betretungsverbotes durch das Gesundheitsamt keinen Annahmeverzugslohn für die Arbeitnehmer:innen zahlen zu müssen.
3. Arbeitslosengeld
Betreffende Arbeitnehmer:innen sind gut beraten, sich bereits jetzt arbeitssuchend und - sobald das Betretungsverbot vorliegt - sich arbeitslos zu melden. Zwar könnte man auf den ersten Blick meinen, Ansprüche auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III müssen mangels Arbeitslosigkeit ausscheiden (§ 138 SGB III), solange das Arbeitsverhältnis besteht. Jedoch stellt der leistungsrechtliche Begriff der Beschäftigung nicht auf das rechtliche Arbeitsverhältnis, sondern auf die tatsächliche Tätigkeit ab. Werden ungeimpfte Arbeitnehmer:innen nicht mehr entgeltlich tätig, sind diese im Sinne des leistungsrechtlichen Kontextes der SGB III beschäftigungslos. Sind die übrigen Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld I erfüllt, schließt sich die weitere Frage an, ob der Leistungsbezug wegen Arbeitsaufgabe für die Dauer von zwölf Wochen gesperrt wird (§ 159 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 SGB III. Auch dies ist jedoch bisher unklar.
4. Neueinstellungen
Insoweit eindeutig ist, dass für die Arbeitnehmer:innen/Personen, die erst ab dem 16.03.2022 eingestellt werden, etwas anderes gilt. Hier regelt das Gesetz ausdrücklich, dass diese neu Eingestellten ihre Tätigkeit ohne Vorlage des Nachweises nicht aufnehmen dürfen. Das Gesetz verbietet damit nicht die neue Einstellung (den Abschluss des Arbeitsvertrages), aber die tatsächliche Beschäftigung (quasi ein gesetzliches Beschäftigungsverbot). Auch bei diesen betreffenden Personen stellt sich die Frage nach der Vergütung. Da das Gesetz hierzu keine Regelung trifft, dürfte grundsätzlich auch hier die übliche Regelung „Ohne Arbeit kein Lohn“ gelten, soweit nicht Ausnahmen ersichtlich sind (z.B. gegenteilige Regelung im Arbeitsvertrag).
III. Ausnahmen
Ausnahme bestehen für solche Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können (§ 20a Abs. 1 S. 2 IfSG).
Was eine relevante medizinische Kontraindikation ist, lässt das Gesetz jedoch offen. Typischerweise wird es um sehr seltene Fälle gehen, in denen der Impfstoff unverträglich ist, etwa wegen Allergien gegen Bestandteile der COVID-19-Impfstoffe. Nicht eindeutig geregelt ist, ob bzw. inwieweit auch psychische Erkrankungen eine medizinische Kontraindikation begründen können. Welchen Anforderungen ein ärztliches Zeugnis über eine medizinische Kontraindikation im Einzelnen genügen muss, lässt das Gesetz ebenfalls offen. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (zuletzt BAG, Urteil vom 08.09.2021- 5 AZR 149/21, Rn. 12ff.) ist die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung teilweise sehr streng und vertritt die Auffassung, dass einem ärztlichen Attest vom Grundsatz her ein hoher Beweiswert zukomme, der jedoch beim Vorliegen gewichtiger Indizien erschüttert werden könne. Dann müsse die Person, die das Attest vorgelegt habe, den vollen Beweis erbringen, wofür ihr das Zeugnis des behandelnden Arztes als Beweismittel zur Verfügung steht. In diesem Fall muss die Person dann ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 05. Mai 2021- 3 B 411/20, Rn. 19).
Ausnahmen nach § 20a Abs. 3 S. 4 und 5 IfSG können auch bei Impfstoffmangel bestehen. Bei einem derartigen Mangel können die obersten Landesgesundheitsbehörden entsprechende Ausnahmen anordnen. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Mitteilung des Paul-Ehrlich-Institut über den Lieferengpass.